Am dritten Sonntage im Advent
von Annette von Droste-Hülshoff
Auf keinen Andern wart' ich mehr:
Wer soll noch
Liebres kommen mir?
Wer soll so mild und doch so
hehr
Mir treten an des Herzens Tür?
Wer durch
des Fiebers Qual und Brennen
So liebreich meinen Namen
nennen,
Ein Balsamträufeln für und
für?
Du wußtest es von Ewigkeit,
Daß der
Gedanken Übermaß,
Dem Sinn entzogner
Herrlichkeit,
Zersprengen müßt' mein Hirn
wie Glas;
So kommst du niedrig meinesgleichen,
Wie
zu der Armut Fromme schleichen,
Dich setzend wo der
Bettler saß.
Wenn fast zum Schwindeln mich gebracht
Der
wirbelnden Betrachtung Kreis,
Dann trittst du aus der
Dünste Nacht,
Und deine Stimme flüstert
leis:
"Hier bin ich, bin ich, woll' mich fassen,
Dann magst du alles Andre lassen;
Auf meinem Kreuze
liegt der Preis."
O Stimme, immer mir bekannt,
O Wort, das stets
verständlich mir,
Du legst mir auf der Liebe
Band,
Und meine Schritte folgen dir!
In Liebe
glaub' ich, Liebesglauben
Fürwahr soll keine Macht
mir rauben;
Geschlossen ist des Grübelns
Tür.
Gehemmt die Jagd, durch scharfen Stein
Und Dornen
hetzend meinen Fuß;
Ich ruh' in deinem
kühlen Hain
Und lausche deinem sanften
Gruß.
Die Blinden sehn, die Kalten
glühen,
Und aus des Irren Haupte ziehen
Der
dumpfen Schatten Menge muß.
Ich folge dir zu Berges Höhn,
Wo Leben von
den Lippen fließt,
Und deine Tränen darf ich
sehn,
O tausendmal mit Heil gegrüßt;
Muß in Gethsemane erzittern,
Daß
Schrecken Gottes Leib erschüttern,
Blutschweiße Gottes Stirn vergießt.
Er hat gehorsam bis zum Tod,
Ja, zu des Todes
eitlem Graus,
Gekostet jede Menschennot
Und trank
den vollen Becher aus:
So richte dich aus Dorn und
Höhle,
Du meine angstgeknickte Seele;
Auch du
nur trägst ein irdisch Haus.
Laß wanken denn die Türme grau
Und
mische deine Tränen nur
Mit deines Heilands
blut'gem Tau,
Gequälter Sklave der Natur;
Er,
dessen Schweiß den Grund gerötet,
Er
weiß es, wie ein Seufzer betet,
Mein Jesus, meine
Hoffnungsau!